Die Tour hat Tradition. Die Tour ist der alljährliche Wahnsinn. Wieviele verrückte Fahrten haben wir in den vergangenen Jahren absolviert, legendär insbesondere die Tour im Schnee. Doch so pessimistisch wie dieses Jahr war ich noch nie.
Der Umstand, dass ich dieses Jahr noch keinen Kilometer auf dem Rennrad gefahren war, steigerte meine Zuversicht keineswegs. Dazu kam der Umstand, dass ich bis Freitag nicht wußte, ob und wie lange ich am Samstag Vormittag Bereitschaft haben würde. Aber die Ausrede wurde mir am Freitag Nachmittag genommen, als ich erfuhr, dass mir die Bereitschaft abgenommen würde.
Was also tun? Erst einmal Jochen anrufen, dass ich kommen würde, wenn ich denn trotz Schlafdefizit aus dem Bett komme. Dann mit den Rahmenbedingungen auseinandersetzen. Wie fahren die Bahnen? Wo könnte man aussteigen, wenn man mit der Gruppe nicht mithalten könnte? Wie sieht denn die Wettervorhersage, insbesondere die Temperaturen aus?
Alles nicht ganz einfach. Mit der Überfahrt auf die Insel könnte es Probleme, die Rücktour würde noch wahrscheinlicher Probleme machen, je später desto problematischer… Und 2 Grad morgens, wenn ich um 4.45 Uhr starten würde. Tagsüber könnten die Temperaturen auf 10° steigen aber Wind aus Süd – Rückenwind! Ich entschied mich, mehrere Trikots übereinander zu ziehen und mich mit Weste gegen den Wind zu schützen. Für den Notfall packte ich noch eine Windjacke ein.
Als der Wecker dann nach 4 Stunden um kurz vor 3.45 Uhr klingelte, nieselte es leicht. Ich brauchte länger als sonst, um mich anzuziehen, minimal zu Frühstücken und die Vorbereitungen abzuschließen. Es. Um 4.50 Uhr fuhr ich los. Die Straßen waren noch naß, insbesondere im Sachsenwald, aber wenigstens regnete es nicht mehr.
Um 6.02 Uhr erreichte ich den Startort. Die Freude war groß, als ich die Mitfahrer erkannte. Viele kannte ich schon seit einigen Jahren von vielen Touren. Wenn ich blos mithalten könnte. Die Anfahrt hatte meine Befürchtungen noch gesteigert.
Als mir dann Jochen mitteilte, er könne nicht mitfahren, ich möge ein wenig auf die Gruppe achten, ging es mir spontan nicht gut.
Jochen machte noch ein Startphoto, dann ging es los. Ich nahm mir vor, die Gruppe durch Ahrensburg und über die Feldwege bis Jersbek zu führen und mich dann zurückzuhalten. Das klappte ganz gut.
Allerdings blieb mir nix anderes übrig, als mich immer im vorderen Drittel aufzuhalten, denn einige Mitfahrer merkten gar nicht, wie sie ihre Kraft in Geschwindigkeit umsetzten, mußten immer wieder verbal eingebremst werden.
Ich überschlug im Kopf, welche Bahn wir bei welchem Tempo erreichen könnten. Mit dem Reisetempo zwischen 28 und 30 sah es zunächst locker aus. Das änderte sich, als wir zuerst eine Baustelle, dann eine Straßensperre übers Feld umgehen mußten. Spontan wurde die Unterbrechung ausgedehnt – puh, 10 Minuten verloren.
Kurz vor Aukrug hatten wir den ersten Platten. Michael kümmerte sich um die Reparatur, die Gruppe fuhr die paar Kilometer bis Aukrug. Dort konnte ich die Gruppe begeistern, hier nur kurz zu stoppen, um Flaschen aufzufüllen oder die Toilette zu besuchen.
Zwei Mitfahrer, die mit dem Reisetempo kämpften, fuhren mit Navigator-Unterstützung vor, während ich die Gruppe zum gemeinsamen Aufbruch drängte.
Ein paar Kilometer vor Breiholz folgte die zweite Panne, die wir durch Teamarbeit recht schnell beheben konnten. Jetzt fuhren wir schnell der Gruppe hinterher, was mir gar nicht gut bekam – die Waden fingen an zu krampfen.
Als wir dann die Fähre erreichten, folgte Panne Nr. 3. Jochen P. bekam von mir den Track via Bluetooth überspielt, wollte sein Tempo weiterfahren. Auf der anderen Kanalseite trafen wir (wie abgesprochen) auf den Rest der Gruppe, machten eine kurze Freßpause, um dann weiterzufahren.
Gleichmäßig und zügig ging es weiter Richtung Niebüll. Im Kopf überschlug ich immer wieder die Restkilometer und Reisegeschwindigkeit, Als ich uns noch eine kurze P-Pause gönnte, stieß Bärbel zu uns, die sich leider im Treffpunkt geirrt und alleine hinterhergefahren war – welch eine Leistung!
Um 14.15 Uhr erreichten wir Niebüll – gerade noch so rechtzeitig, dass wir die Tickets lösen konnten. Als ich dann auf den Bahnsteig kam, traf ich auf einen Fahrtbegleiter, der unschlüssig war, ob und wie er uns mitnehmen könnte. Wir einigten uns darauf, für die eine Station (Klanxbüll) in jedem Eingang 2 Fahrräder zu stellen und aufzupassen, dass niemand behindert würde.
In Morsum fanden wir auf dem Bahnsteig wieder als Gruppe zusammen, starteten die letzten Kilometer nach List. In Kampen füllten ein paar Teilnehmer nochmals in einem Cafe ihre Trinkflache, einen geöffneten Supermarkt hatten wir nicht gefunden.
Dann endlich war das Ziel erreicht – List. Am Ortseingang machten wir das eine oder andere Beweisfoto, bevor es weiter zu Gosch ging,
Bei Gosh verlief es dann doch etwas anders als erhofft. Eigentlich dachte ich, dass wir ein Fischbrötchen essen würden. Daraus wurde dann aber ein Gelage…
Ich hatte mir überlegt, dass die Zeit reichen könnte, im Industriegebiet Tinnum (Umweg 1-2 Kilometer) bei Aldi, Lidl oder Netto für den Rückweg einzukaufen. Eigentlich, so dachte ich, sollte die Zeit reichen, die Bahn zu erreichen. Aber wie es denn so ist mit einer großen Gruppe, dauerte der Aufenthalt am Supermarkt so lange, dass ich mir sicher war, die Bahn in Morsum würden wir garantiert nicht schaffen, vielleicht aber noch Keitum, wenn die Bahn überhaupt fährt.
Wir machten uns zügig auf den Weg, um die Option zu versuchen. Am Bahnübergang vor Tinnum sahen wir unsere Bahn vorbeifahren. Eine letzte Anstrengung aller Fahrer, ein Sprint zum Bahnhof. Als wir dann am Einsteigen waren, konnte die Bahn auch nicht abfahren. Mit 2 Minuten Verspätung ging es zurück Richtung Hamburg. Zufrieden und glücklich klatschten wir uns ab.
Die Rückfahrt verlief ruhig bis zum Umsteigen in Elmshorn. Hier kamen wir zunächst nicht in den Zug, weil der Zugbegleiter die Türen zu früh verriegelt hatte. Aber die Schreckmomente waren dann auch schnell wieder vergessen. Nach sehr kurzer Fahrt erreichten wir den Hauptbahnhof, wo wir uns verabschiedeten.
Vielen Dank! Hat riesig Spaß gemacht.